Es kommt nicht oft vor, dass der Papst an Kirchen-Obere „Ermahnungen“ ausspricht. Im Stift Klosterneuburg wäre dies schon längere Zeit fällig gewesen. Einen interessanten Beitrag dazu brachte dazu soeben das Magazin „profil„. Deren Redakteurin Mag. Edith Meinhart ist für ihre Recherchen nach Hamburg gereist, um sich die Erfahrungen eines früheren Klosterbruders anzusehen hören. Das Gespräch ist es wert, diesen Podcast anzuhören. Wie der jüngst verstorbene Pfarrer Michael zuletzt das Kloster erlebte, habe ich im nachstehenden Offenen Brief an den Päpstlichen Legaten Bischof Clemens festgehalten.
Requiem für Pfarrer Michael
Exzellenz, Sie wurden von Papa Francesco zum Apostolischen Legaten ernannt, um als direkter Vertreter des Papstes Missbrauchsfälle im Stift Klosterneuburg aufzuarbeiten. Sie wussten auf Grund einer päpstlichen Visitation des Stiftes, dass dort der eine oder andere Jugendliche Hilfe heischend durch die Klostergänge geirrt ist, um sich vor Missbrauchsversuchen in Sicherheit zu bringen. Vorfälle, die in der Vergangenheit kirchenrechtlich ohne Konsequenzen geblieben sind.
Im Frühjahr 2020 erhob eine Mutter den Vorwurf, dass ihre Tochter im Pfarrkindergarten Heiligenstadt vom Kindergärtner missbraucht worden sei. Pfarrer Michael wusste er, dass dieser Vorwurf nicht den Tatsachen entsprechen konnte. Er erörterte diesen Vorwurf auch mit der Stiftsleitung.
Als die von der Kindesmutter eingeschaltete Staatsanwaltschaft diesen Missbrauchsvorwurf untersuchte, befürchteten der Stiftsdechant Benno Anderlitschka und der Generalvikar der Erzdiözese Wien Dr. Nikolaus Krasa, dass sie neuerlich medial mit der Vertuschung kirchlicher Missbrauchsfälle konfrontiert werden könnten. Deshalb setzten sie den Kindergärtner kurzerhand vor die Türe. Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 wurde er „mit sofortiger Wirkung vom Amt als Pfarrer der Pfarre Heiligenstadt entpflichtet.“ Er wurde nach 17 Jahren Aufbauarbeit und erfolgreicher Leitung dieser Pfarre aus seiner Pfarre rausgeworfen.
Der Rauswurf
Die „Entpflichtung“ des Pfarrers Michael sollte laut Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa „als Signal verstanden werden, dass die Erzdiözese Wien und das Stift Klosterneuburg von ihren Mitgliedern ein hohes Maß an Sensibilität und Transparenz im Umgang mit diesen Fragen“ erwarten. Eine Sensibilität, die offenbar als Einbahn gesehen wird. Sonst wäre es nicht denkbar, dass sämtliche Bitten der Pfarrgemeinde Heiligenstadt, ihren Pfarrer Michael wieder in seine Pfarre einzusetzen, ungehört verhallten.
Der Altabt von Herzogenburg Maximilian Fürnsinn sollte für Sie die Aufgabe übernehmen, als päpstlicher Administrator Licht in die dunklen Punkte des Stiftes Klosterneuburg zu bringen. Seine und Ihre Aufgabe wäre es gewesen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Sich namens des Stiftes beim schuldlosen Kindergärtner und beim ebenso schuldlosen Pfarrer Michael zu entschuldigen. Als notwendiger Schritt zur Wiederherstellung der Reputation der Beiden. Ihnen kam dies im fernen Rom erst gar nicht in den Sinn. Erst jetzt hat sich die ehemalige Stiftsleitung -nach einer offiziellen Rühe durch Papa Francesco – bereit erklärt, sich bei den früheren Missbrauchsopfern zu entschuldigen.
Transparenz nach Wiener Art
Als Legatus Pontificus und höchste Stiftsautorität wussten Sie schon lange, dass es sich um haltlose Vorwürfe der Kindesmutter gehandelt hatte. Spätestens seit der offiziellen Einstellung der von der Kindesmutter veranlassten Untersuchungen wussten Sie, dass es sich um einen leicht erkennbaren blinden Alarm gehandelt hatte. Den schuldlos aus dem Kindergarten gefeuerten Kindergärtner fertigte man nach dessen arbeitsgerichtlicher Klage mit einem „Schweigegeld“ von 25.000.- Euro ab.
In Ihrer Macht als Stellvertreter des Papstes wäre es auch gelegen, Michaels „Entpflichtung“ durch die ehemalige Stiftsleitung und die ehemalige Diözesanleitung jederzeit rückgängig zu machen. Wie schon Jesus laut Matthäus predigte: „An den Früchten sollt ihr sie erkennen.“
Mein Freund Michael hat sich nicht nur mit dem christlichen Glauben, sondern auch mit dem Weltbild des Buddhismus auseinandergesetzt. Er hat sich die Mühe gemacht, für meine Evangelienharmonie „JESUS trifft BUDDHA“ eine Rezension zu verfassen. Mit seiner persönlichen Beurteilung: „Worin liegt der Sinn unseres Lebens? Buddha erklärt ihn philosophisch, Jesus spirituell.“
Ich habe dieses Buch Kardinal Christoph Schönborn für seine steten Bemühungen zur Verbreitung der Evangelien gewidmet. Auch die dort abgehandelte Verurteilung Jesus durch den Jerusalemer Hohepriester Kaifas hat sich nachträglich als Fehlurteil erwiesen. Wenn ich das Verhalten der „Kirche“ im „Fall Michael“ betrachte, war es vielleicht auch ein Fehler, mein Buch dem Oberhirten der Diözese des gesteinigten heiligen Stephan zu widmen.
Requiem in Klosterneuburg: Causa finita
Pfarrer Michael ist nun völlig unerwartet verstorben. Am 8. März gibt es ein Requiem. Ich kondoliere Ihnen zum Tod Ihres Mitbruders Michael. Deus locuta, causa finita. Ich persönlich finde es jedoch traurig, dass ein derart beschämendes und unchristliches Verhalten gegenüber Pfarrer Michael und einer frustrierten Pfarrgemeinschaft noch heute im Pontifikat des von Michael bewunderten Papa Francesco möglich ist.
Mit christlichen Grüßen
Dr. Friedrich Knöbl
Advokat & Eschatologe
Sehr geehrter Herr Dr. Knöbl,
als langjähriger Freund von Michael (seit 1971) kann ich nur feststellen, dass die Vorgangsweise der ach so heiligen Kirche genauso unchristlich, beschämend und menschenverachtend ist, wie zur Zeit der Inquisition.
Es ändert sich offensichtlich nichts.