Was passierte am „Karfreitag“?
Jesus Tod wird in der Bibel recht dürftig beschrieben. Nach dem Johannes Evangelium wurde der bereits tote Jesus von Soldaten erstochen. Das ist unwahrscheinlich, denn Jesus hing erst drei Stunden am Kreuz. Das ist zu kurz, um dort zu verschmachten. Anderseits war nach dem mosaischen Gesetz das Hängenlassen Gekreuzigter über Nacht verboten (5. Mose 21,22) Überdies wäre der Abnehmende als unrein vom knapp bevorstehenden Sabbat ausgeschlossen gewesen. Vielleicht haben die Soldaten doch keinen toten, sondern einen lebenden Jesus erstochen? Dieser Frage ging der deutsche Historiker Johannes Fried in dem soeben erschienenen Buch „Kein Tod auf Golgatha“ auf den Grund.
„Und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ schmückt Johannes dieses Ereignis aus. Der auch weiß, warum dieser Stich notwendig war: „Damit sich das Schriftwort erfüllt“. Denn in der Bibel steht: “ Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Sacharja 12,10). Nach Fried hat Jesus somit diese Prophezeiung das Leben gerettet. Denn Jesus konnte in so kurzer Zeit nicht schon tot sein. Über dieses rasche Ende war nicht nur Pilatus im Markus – Evangelium (Mk 15, 44) verwundert. Seither haben viele Gelehrte darüber gegrübelt.
Fried präsentiert dafür eine plausible medizinische Erklärung. Er folgt dabei den medizinischen Berichten von Maximilian Ledochowskis und Dietmar Fuchs. Die haben 2014 „Die Auferstehung Christi aus medizinischer Sicht“ veröffentlicht. Nach deren Interpretation des Johannesevangeliums erlitt Jesus durch das Auspeitschen einen Rippenbruch mit einer Verletzung des Rippenfells. Ein Pleuraerguss führte zu Atemnot, die noch durch den Stress der Kreuzigung gesteigert wurde.
Ein Soldat als Lebensretter
Das mündete in einer bedrohlichen Hyperkapnie – dem Anstieg des Kohlendioxids in der Lunge – hervorgerufen durch eine reflexhaft verstärkte Atmung, um dieses Kolendioxid abzuatmen. Durch diese fiel Jesus am Kreuz in eine todesähnliche Kohlendioxidnarkose. Nur eine gezielte Punktion konnte ihm das Leben retten. Und genau dafür sorgte der Lanzenstich des zur Bewachung der Gekreuzigten ausgesandten Soldaten. Möglicherweise einer von der Tempelwache aus Jerusalem, der dafür sorgen sollte, dass Jesus noch bei Tageslicht tot und begraben ist.
Jener Stich, der nach Sacharja Jesus Ende besiegeln sollte, diente damit seiner Errettung. Da ihn die Soldaten durch diese Ohnmacht bereits für tot hielten, war dies kein Todesstoß, sondern bloß ein Kontrollstich zwischen die Rippen. Zur Überprüfung, ob der Tote auch wirklich schon tot sei. Ein derartiger Stich ist nach einer bereits 1948 geäußerten Ansicht des Chirurgen W. B. Primrose im „The Hibbert Journal“ keine „letale abdominale Verletzung“. Der Erguss im Pleuraspalt – die einzige „Höhle“ im Brustkorb, in die Blut und Wundwasser abweichen können – wurde durch den Stich in die Pleura beseitigt. Das linderte die Atemnot – andernfalls wäre Jesus am Kreuz erstickt.
Die verzögerte Sauerstoffzufuhr im Hirn sorgte dennoch für eine anhaltende Ohnmacht mit einer ganz flachen, kaum wahrnehmbaren Atmung, die Jesus weiterhin tot erscheinen ließ. Aus heutiger Sicht ergibt dies auf Grund der Erfahrungen bei der Behandlung eines hämoragischen Pleuraergusses einen klaren pathologischen Befund. Eine Ohnmacht, die es – wegen des bevorstehenden Sabbats – Jesus Freunden ermöglichte, diesen „Leichnam“ eilig vom Kreuz zu nehmen. Sein Leib wurde gewaschen und in ein neues, kühles Grab gelegt. Das ließ den Folterungsstress abklingen. Helfer wie Joseph von Arimathia und Nikodemus waren zur Stelle und hielten – auf wunderbare Weise – statt eines Toten einen aus der Ohnmacht Erwachenden in ihren Armen. Den sie außerhalb Judäas jenseits des Jordans in Sicherheit brachten.
Fried legt lebensnah dar, dass weder jüdische noch römische Obrigkeiten mit einer derartigen „Auferstehung“ eine Freude gehabt hätten. Ein neuerliches öffentliches Auftreten wäre auch nicht im Interesse Jesus gelegen. Er hat mit seiner neuen Lehre nicht das Risiko eines Kreuzestodes riskiert, um damit bloß „die Schrift zu erfüllen“. Für eine mosaische Stammesgeschichte, die nichts mit ihm und seiner Lehrtätigkeit zu tun hatte.
Wer nicht tot ist, kann nicht auferstehen
Erst Paulus hat aus dem „leeren Grab“ die Idee einer leiblichen Auferstehung geboren. Eines schon bei seiner Geburt göttlichen Jesus, der sich zwecks Befreiung von der Erbsünde zur Errettung der Menschheit am Kreuz geopfert hat. Eine Erzählung, die von einigen Paulus Epigonen in den Evangelien weiter ausgeschmückt wurde. Tatsächlich ist es für die Lehre Jesu unerheblich, ob er am Kreuz gestorben ist oder nicht. Wichtig war dies nur für Paulus, dem mit einem lebenden Jesus die von ihm propagierte „Erlösung“ der Menschheit abhandengekommen wäre. Ohne Jesus Tod wären die Paulus Jünger mit ihrer Fixierung auf das Jenseits mit leeren Händen dagestanden.
Wahrscheinlicher als Jesus Überleben ist sein Tod ohne leibliche Auferstehung. Vor allem, wer die von einer römischen Lanzenspitze mit ihren vier Widerhaken verursachte Wunde berücksichtigt. Woher kommen dann all die divergierenden Grabschilderungen, die Himmelfahrtserzählungen und die Emmausjünger? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das in Vorbereitung befindliche Buch „Jesus Fake“ – mittels Analyse frühchristlicher Texte. Es zeigt uns, wie im Laufe der ersten Jahrzehnte die Evangelisten – in Erwartung von Jesus persönlicher Rückkehr – die Lazarus Erweckung in eine Jesus Auferstehung verwandelten. Wie frühe Christen Jesus Worte verdrehen mussten, um sie mit ihrer hebräischen Bibel in Einklang zu bringen. Ein Mühlstein, der bis heute am Hals der Christen hängen geblieben ist.