Am 22. April las ich in der „Presse“: Gregor Henckel Donnersmarck leitet ab 2.Mai das Stift Klosterneuburg. Als Administrator, da sich der bisherige Abt (Probst) gesundheitshalber in den Ruhestand verabschiedet hatte. Ein Job, den erst fünf Monate zuvor der deutsche Kurienbischof Josef Clemens übernommen hat. Ich bin daher skeptisch, dass sich ein so kluger Mann wie Henckel Donnersmarck mit 78 Jahren auf ein derartiges Abenteuer einlässt.
Die Ahnenreihe der Donnersmärcker kann sich sehen lassen. Schon 1417 erhielten die damaligen Brüder Henckel de Quintoforo beim Konstanzer Konzil vom deutsch-ungarischen König Sigismund von Luxemburg ein würdiges Wappen verliehen. Zwei Jahrhunderte später war ein Lazarus I. Henckel von Donnersmarck in Wien Gründer eines Wirtschaftsimperiums. Dieser Lutheraner half dem katholischen Kaiser Rudolf II. bei der Finanzierung der Türkenkriege, kaufte Bergwerke und Ländereien und wurde in den Adelsstand erhoben. Sein Sohn avancierte unter Kaiser Ferdinand II. zum Reichsfreiherrn, in Österreich und Böhmen kam der Grafentitel hinzu.
Die schlesische Linie blieb protestantisch, die Grafen investierten in Kohle und Stahl, wurden Ende des 19.Jhdt. mit dem Fürstentitel geadelt. Hugo Reichsgraf Henckel von Donnersmarck leistete sich den Luxus eines Ringstraßenpalais, dem heutigen Radisson Blu Hotel. Sein Sohn Guido brachte es 1901 zu einem preußischen Fürstentitel. Er besaß 27.500 ha Land und war 1913 mit einem geschätzten Vermögen von 254 Millionen Mark die zweitreichste Person in Preußen nach Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Zwei Weltkriege, die Abtretung Schlesiens an Polen und die kommunistische Enteignung machten die Donnesmärcker 1945 zu Flüchtlingen, die in Kärnten ganz von vorne anfangen mussten.
Der diplomierte Welthändler Gregor Henckel Donnersmarck machte bei Schenker Karriere, wurde Geschäftsführer in Spanien. Dann verabschiedete er sich vom Wirtschaftsleben und sich als Klosterbruder neu zu erfinden. Um nach seinem Theologiestudium im Stift Heiligenkreuz prompt neuerlich Karriere zu machen. Letztlich landet er 1999 als Abt im Stift Heiligenkreuz, wo sein spirituelles Leben begonnen hatte. Um sich 2011 in Wien zur Ruhe zu begeben.
Der Deutsche Josef Clemens kann auf eine lupenreine römisch-apostolische Laufbahn zurückblicken. Als Seminarist des Collegium Germanicum erhielt er 1975 in Rom die Priesterweihe für das Erzbistum Paderborn. Nach kurzen Zwischenspielen in Bielefeld und Dortmund zog es ihn zum Studium wieder nach Rom. Als promovierter Moraltheologe war er 19 Jahre Privatsekretär von Kardinal Joseph Ratzinger, vulgo Papst Benedikt XVI. Unter dessen Schirmherrschaft wurde er 1986 Untersekretär der „Kongregation für die Institute geweihten Lebens“, somit eine Art Staatssekretär im römischen Kloster-Ministerium. 1989 wurde er mit dem Titel „Kaplan seiner Heiligkeit“ ausgezeichnet. 2003 schaffte er den Karrieresprung zum Sekretär – sprich: Minister – des 1976 gegründeten „Päpstlichen Rat für die Laien“. Als 2016 dieses Clemens-Ministerium im Zuge einer Kurienreform aufgelöst wurde, stand der Minister plötzlich ohne Amt da.
Anfang 2020 hatte sich der Propst des Klosterneuburger Chorherrenstiftes Bernhard Backovsky krankheitshalber verabschiedet. Seinem Nachfolger hat er einen Rucksack voller Probleme hinterlassen. Weshalb der arbeitslose Titularbischof Clemens vom Kloster-Minister Erzbischof José Carballo im November mit dem würdevollen Titel „Apostolischer Legat“ – Gesandter des Papstes, als „Administrator“ des Stiftes nach Klosterneuburg entsandt wurde. Clemens hatte allerdings nicht die Absicht, sich vom römischen Zentrum der Macht an die Klosterneuburger Peripherie abschieben zu lassen. Deshalb sollte ein Anderer vor Ort für ihn die Arbeit machen.
Ein verdienstvoller Henckel Donnersmarck hat es nicht nötig, den Schlackenschammes eines in Rom residierenden Titularbischofs zu spielen. Dort mit Carballo und Clemens gleich zwei Obrigkeiten rapportieren zu müssen. Wenn der Heilige Geist den Gregor rechtzeitig erleuchtet, wird er das ihm von Gottvater zugemutete Amt am 2. Mai gar nicht erst antreten. Und so nachösterlich durch den Tod des Gottessohnes von allen Übeln eines päpstlichen Administrators erlöst werden.